IN SITU vom Lateinischen „unmittelbar am Ort“ sowie EX SITU „außerhalb des [ursprünglichen] Ortes“ sind zwei grundsätzliche Denkfiguren zum Konstruieren. Der erste Begriff ist eindeutig Teil des existierenden architektonischen Vokabulars, der zweite Begriff wird der Zoologie entlehnt und so das Prinzip des Erhalts der Artenvielfalt in unser Repertoire aufgenommen. Wir stellen die Positionen gegenüber und spüren nach, wie die Begriffe im Sinne eines neuen Verständnisses von Raumproduktion im Anthropozän grundsätzlich für das Entwerfen fruchtbar gemacht werden können.

In Situ Ex Situ

Repertoire, 4. Semester BA
Sommersemester 2021
Wissenschaftliche Mitarbeit: Samuel Barckhausen, Ruben Beilby

KONSTRUIEREN „Es gibt keine Probleme, nur Fragen. Und das ist die eigentliche Arbeit.“ (1) Um allseits verfügbares, konstruktives Vokabular in das Arsenal des eigenen, architektonischen Handlungsrahmens zu überführen, lohnt es sich, „ausgewählte Werke »zur Sprache zu bringen« - mit Vorliebe“ (2) in eine Sprachform der Architektur, die Zeichnung. Die hier eingeflossene Doppelung der zeichnerischen Analyse in erstens den Herstellungsprozess und zweitens den gebauten Zustand fokussiert auf die Bedingtheit von konstruktiver Verfasstheit und architektonischem Ausdruck. Diese enge Verbindung wird von Andrea Deplazes in der Einleitung seines Handbuches herausgehoben und findet sich noch direkter im ersten Satz des Kapitels »Zur Bedeutung des Stofflichen« von 1999 wieder: „Entwerfen und Konstruieren ist für mich ein und dasselbe.“ (3) Die englische Übersetzung legt hierbei die Betonung auf den Aspekt des Fügens als eine zentrale Eigenschaft des Konstruierens nahe: „how much architectural expression depends on its constructional composition.“ (4) Das Sprachverständnis zum Wort Verfasstheit könnte auch den Übertrag in „constructive constitution and architectural expression“ (5) sehen. In dieser minimalen Verschiebung findet sich eine spezifische Lesart wieder, welche die Frage, wie etwas gemacht ist, als übergeordnet und grundlegend ortet. Konstruktion ist nicht Detail, sondern Verfasstheit im Dienste einer Idee zur Architektur. Diese benötigt das Denken bis ins Detail und darüber hinaus. Denn der unmittelbare Zusammenhang aus Entwerfen und Konstruieren muss kollektiv um die Frage der Verantwortung erweitert werden. Wir können nicht mehr vom Anmischen, Gießen, Schichten, Fügen und Verbinden träumen, ohne das Pulverfass der Endlichkeit zu öffnen. Kaum eine der als sicher geglaubten baulichen Lösungen erscheint vor dem Horizont einer weltweiten Skalierung problemlos vertretbar. Die Frage „Wie können wir bauen?“ ist eine der konstruktiv dringlichsten Fragen. Sie kann sowohl regionale als auch technologische Antworten finden. In jedem Fall greift sie tief in den architektonischen Entwurfsprozess ein. Die zwei gewählten Denkfiguren in situ und ex situ, verstanden als ‚unmittelbar am Ort‘ und ‚zum Ort‘, eröffnen dieses Feld, das wir jetzt gesellschaftlich bestellen. Helga Blocksdorf (1) Imoberdorf, Chantal (Hrsg.): Peter Märkli im Gespräch mit Laurent Stalder, 2015 (2) Flury, Aita: Das gesprochene Haus, 2012, Anm.: Das Zitat ist abweichend von der Sprache auf die Konstruktion bezogen. (3/4) Deplazes, Andrea, Architektur Konstruieren / Constructing Architecture, 2005 / 2005 (5) Übersetzung Honor Westmacott, 2021